Funktion eines Strafverteidigers

Der Beschuldigte oder Angeklagte ist Mittelpunkt eines Verfahrens, mit dem er meist noch nicht zu tun hatte. Das Strafverfahren wird von Juristen nach Regeln betrieben, die für Nichtjuristen kaum zu durchschauen sind. Der Strafverteidiger hat die Aufgabe, den Mandanten zu beraten und ihn durch das Verfahren zu führen.

Dabei hat der Verteidiger die prozessualen Rechte des Mandanten zu wahren und konsequent durchzusetzen. Dabei gibt es Fälle, in denen eine offene Konfrontation mit der Staatsanwaltschaft und/oder dem Gericht unvermeidbar ist. Diese Konflikte muss der Verteidiger bewältigen und darf nicht vor der „Staatsmacht" einknicken.

Der Verteidiger ist zu bewusster Einseitigkeit zu Gunsten seines Mandanten verpflichtet. Der Verteidiger vertritt zuallererst die Interessen des Mandanten, er ist zu keiner Objektivität verpflichtet. Zwar hat der deutsche Rechtsanwalt sowohl standesrechtliche als auch strafrechtliche Grenzen einzuhalten. Eine effektive Strafverteidigung scheitert jedoch niemals an diesen gesetzlichen Schranken.

Die Funktion des deutschen Strafverteidigers ist nicht mit der eines Anwalts in den USA vergleichbar. Selten entscheidet sich der Ausgang eines Strafverfahrens ausschließlich in der Hauptverhandlung. Deutsche Gerichte sind von Berufsrichtern bestimmt, welche die gesamten Akten kennen und somit den Ermittlungsstand mit dessen Vorfestlegungen kennen. Eine Jury aus echten Laien - wie in den USA - mag zu manipulieren sein. Berufsrichter mit Aktenkenntnis und Sachverstand lassen sich von theatralischen Auftritten mit wehender Robe wenig beeindrucken.

Die Möglichkeiten und Aufgaben des Strafverteidigers liegen wesentlich in der Vorbereitung des Verfahrens. Insbesondere in der Beratung des Mandanten über die Entscheidung, ob eine Aussage gemacht wird und gegebenenfalls welche (d. h. günstige / ungünstige Umstände), oder ob der Angeklagte von seinem verfassungsmäßigen Recht der Aussageverweigerung Gebrauch machen soll. Der Ausgang eines Verfahrens muss vom Strafverteidiger für unterschiedliche Prozesstaktiken prognostiziert werden können.

Verwertungsverbote, Aussageverweigerungsrechte von Zeugen, Beweisanträge sind das wesentliche Instrumentarium des Verteidigers. Zeugenvernehmungen sind an Hand der Akte vorzubereiten, Zeugenbefragung ist zu beherrschen. Daraus ist eine Prozessstrategie zu entwickeln, die einen auf den Fall bezogenen Erfolg bringen kann. Ob ein Freispruch möglich ist, bzw. wie wahrscheinlich dieser ist, kann im deutschen Strafprozess in aller Regel vor Beginn des Prozesses beurteilt werden.

Für einen Strafverteidiger ist es zunächst bedeutungslos, ob der Mandant schuldig ist oder nicht. Entscheidend ist ausschließlich, was nach den Regeln der Strafprozessordnung nachweisbar ist. Dabei ist zunächst auch unerheblich, ob der Mandant dem Anwalt die Wahrheit sagt oder nicht. Es ist zwar nicht angenehm, sollte der Verteidiger das Gefühl bekommen, für „dumm" gehalten zu werden. Entscheidend ist aber, dass der Verteidiger, der die Wahrheit nicht kennt, nicht wirklich agieren kann. Ohne Kenntnis des wirklichen Geschehens, wird der Verteidiger möglicherweise Beweismittel benennen, die das Gegenteil dessen erreichen, was sie bewirken sollten. Entsprechend sollte der Verteidiger die Wahrheit zumindest in den Grundzügen kennen. Einem Strafverteidiger können Sie vertrauen, sein Einsatz zu Ihren Gunsten wird nicht leiden, kann aber zu einer realistischen Zielsetzung beitragen.